Datenschutz: Vorratsdatenspeicherung in Europa
[via: Golem.de] Zitat: "Das Europäische Parlament hat der geplanten EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten in erster Linie grünes Licht gegeben."
Bei der Umsetzung würden ab Ende 2006 in Europa alle Verbindungsdaten (Telefon, SMS, E-Mail, Internet) der letzten 6 bis 24 Monate gespeichert werden - eine Verbindungsdatenspeicherung mit aufgehobener Unschuldsvermutung. Die übertragenden Inhalte (Text einer E-Mail, Telefongespräch) werden nicht gespeichert.
Zugriff für Behörden
Der Zugriff auf diese Daten ist für Behörden möglich, wenn ein begründeter Verdacht auf terroristische Aktivitäten oder Taten der organisierten Kriminalität sowie die Zustimmung eines Richters zur Dateneinsicht vorliegt. Dann können die Behörden Folgendes erfahren. Zitat:
Dr. Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), kritisiert im Vorfeld den Beschluss der EU-Justizminister, da über Monate hinweg minutiös nachvollzogen werden könne, "wer wo im Internet gesurft hat, wer wann mit wem per Telefon, Handy oder E-Mail kommuniziert hat, wer wann welche Online-Dienste in Anspruch genommen hat". Mit der Umsetzung der Pläne sei die "Schwelle von der freiheitlichen Informationsgesellschaft zum digitalen Überwachungsstaat überschritten", so Weichert.
Die unschuldigen in der Datenfalle
Größtes Problem bei der Sache ist IMHO, dass in erster Linie unschuldige Bürger betroffen sind. Wer illegal handelt, wird eher dazu tendieren seine Daten zu verschleiern (Geklaute Handys und Prepaid-Karten, Post statt elektronischer Übertragung, Webmailer außerhalb der EU, Anonymisierungstechniken, ...). Wer unschuldig ist sollte zwar nicht in Tatverdacht geraten, so dass seine Daten in der (einigermaßen) guten Welt unangetastet bleiben. Nur in der realen bösen Welt werden die Daten von illegal handelnden im Gegensatz dazu im Zweifelsfall erst gar nicht in einer Form gespeichert werden, die eine Zuordnung ermöglichen wird. Stattdessen könnten Personen geklauter Handys auf einmal ein Einsatzkommando der Polizei in ihrer Wohnung haben.
Bei den Anschlägen in Madrid und London konnten verdächtige durch Handys ermittelt werden. Es liegt nahe zu vermuten, dass solche Ermittlungserfolge in der Art in Zukunft nicht mehr so leicht sein werden - gerade auch durch die Aufmerksamkeit die eine solche Vorratsdatenspeicherung erzeugt.
Und konsequenterweise müsste auch die Post Verbindungsdaten speichern und es müssten Techniken zum Umgehen der personalisierten Verbindungsdatenspeicherung verboten werden. Ein generelles Abhören nach verdächtigen Schlüsselwörtern und Namen von Personen und Orten würde auch Sinn machen.
Nutzen?
Zumindest für Deutschland ist auch noch nicht bekannt, ob diese Datenmenge einen zusätzlichen Nutzen bietet. Da eine entsprechende Auswertung einer Umfrage durch das Bundeskriminalamt noch nicht abgeschlossen ist.
Was mich besonders an der Speicherung stört ist, dass damit eine Kritik an ähnlichen Überwachungsmaßnahmen in totalitären Staaten komplett ins Leere geht - man macht es ja selber und dabei der Nutzen, angesichts der Datenmenge und Möglichkeiten einer Erfassung zu umgehen, IMHO gering sein dürfte.
Und die zur Datenspeicherung anfallenden Kosten werden in Deutschland die Kommunikationsfirmen und damit die Kunden bezahlen. Das Geld dürfte sich in Hinblick auf die Verbrechensbekämpfung auch effizienter nutzen lassen.
Welche Begehrlichkeiten wird es wecken?
Fragt sich auch welche Begehrlichkeiten diese Datenmenge wecken wird. Die Musikindustrie hat schon ihr Interesse zur Nutzung dieser Verbindungsdaten kundgetan. Was dann nun wirklich nichts mehr mit Terrorismusbekämpfung zu tun hätte.
Endlose Möglichkeiten... Eine noch existierende DDR wäre begeistert. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel stimmt einfach nicht.
Links zum Thema
- "Europaparlament beschliesst Vorratsdatenspeicherung", netzpolitik.org
- "Berichterstattung zur Vorratsdatenspeicherung", netzpolitik.org
- "heise.de, Meldungen zum Thema: Vorratsdatenspeicherung"
- Wikipedia: Vorratsdatenspeicherung
- "Telefondatenspeicherung - ein Balanceakt zwischen Datenschutz und Sicherheitsinteressen", europarl.de
- "Analysen zur Vorratspeicherung von TK-Verbindungsdaten stehen noch aus", 14-Dec-20055, heise.de
- "Vorschlag für eine Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten" (PDF, 199KByte), 21-Sep-2005
